„Die Zeit arbeitet gegen mich“ – Luigi Toscanos Porträts von Holocaust-Überlebenden kommen nach Leipzig

Luigi Toscano porträtiert Verfolgte, die die Nazi-Herrschaft überlebten. Am 27. Januar eröffnet er seine Ausstellung „Gegen das Vergessen“ im Leipziger Hauptbahnhof. Er weiß: „Die Zeit arbeitet gegen mich.“

Susan Cernyak-Spatz (1922–2019) war in Auschwitz. Als Luigi Toscano die gebürtige Wienerin in den USA fotografierte, gab sie ihm einen Satz des spanischen Dichters George Santayana (1863–1952) auf den Weg: „Wer die Vergangenheit vergisst, ist verdammt, sie zu wiederholen.“ Der in Mannheim lebende Fotograf porträtiert Menschen, die die Naziherrschaft überlebten – Juden, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zwangsarbeiter, Sinti und Roma. „Gegen das Vergessen“ heißt seine Foto-Installation, mit der er auf der ganzen Welt unterwegs ist. Ab dem 27. Januar, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, zeigt er rund 140 seiner Bilder im Leipziger Hauptbahnhof und auf dem Willy-Brandt-Platz.

„Gegen das Vergessen“ ist auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Als Toscano – ebenfalls in den USA – ein Paar fotografieren wollte, habe die Frau gesagt. „Meinem Mann geht es heute nicht so gut, kommen Sie bitte morgen wieder. „Über Nacht ist er gestorben“, erzählt Toscano. „Es liegt in der Natur der Sache, dass die Zeit gegen mich arbeitet.“

„Pass auf Luigi, ich werde 116“

Anni Schkolnik, die 1919 in Leipzig geboren wurde, traf er vor zwei Wochen in Israel, sie lebt in der Nähe von Tel Aviv. Hundertviereinhalb Jahre ist sie alt. „Pass auf Luigi, ich werde 116“, habe sie ihm versprochen. „Sie zeigte mir ein Foto von sich als kleines Kind, das 1923 in der ,Leipziger Volkszeitung’ erschienen war.“ Schlomo Samson besuchte er nahe der Grenze zu Jordanien, gegen Anni Schkolnik ist er mit 100 fast ein junger Hüpfer. „Er hängt sehr an Leipzig, am meisten vermisst er die Stadt im Winter.“ Im Auftrag einer befreundeten Leipzigerin übermittelte Toscano ein Foto von dem Baum, der in der Gustav-Adolf-Straße vor dem Haus steht, in dem Schlomo Samson aufwuchs. „Er wollte sehen, ob er gewachsen ist, konnte zum letzten Mal vor zehn Jahren nach Leipzig kommen.“

Im Ariowitsch-Haus fotografierte Toscano in der vergangenen Woche zwei, die in Leipzig geblieben sind. Einer von ihnen ist Rolf Isaacsohn. Er erlebte die Novemberpogrome 1938 als Fünfjähriger, wurde nach Theresienstadt deportiert und überlebte. „Er konnte nach New York, aber er wollte nicht gehen. ,Leipzig ist seine Heimat’, sagt er.“ Isaacsohn (90) ist Ehrenvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde in Leipzig.

Die Gesichter erzählen, lächeln, schweigen aus dem Dunkel

Luigi Toscano hat bislang über 500 Menschen porträtiert – unter anderem in Israel, Deutschland, den USA, Großbritannien, Belarus, Polen, Italien, Österreich und Russland. Die Fotos können fast überall entstehen, notfalls auf dem Flur oder in einer Zimmerecke, die Arbeitsweise ist immer gleich: Toscano fotografiert das Gesicht vor schwarzem Hintergrund, von einer Ringleuchte kommt weiches Licht. Für die Ausstellungen vergrößert er die Bilder auf 2,25 mal 1,5 Meter messende Hochformate. So erzählen, lächeln, schweigen diese Gesichter aus dem Dunkel.

Am Anfang ahnte er nicht, was daraus werden würde, er fing einfach an, „mit der nötigen Naivität“, wie er sagt. „Es war die Zeit, als die AfD immer stärker wurde, als eine Million Flüchtlinge kam, die Stimmung kippte, Rassismus immer deutlicher zu Tage trat. Ich fragte mich: Was würde ein Holocaust-Überlebender darüber denken? Und was kann ich tun?“ Seine Fotos sind ein stiller Protest, ein berührender Verweis auf die Gegenwart der Vergangenheit.

Das Fotografieren brachte sich Luigi Toscano selbst bei

Toscano wurde als erstes von sieben Kindern sizilianischer Gastarbeiter 1972 in Mainz geboren. Beide Eltern waren alkoholkrank, er floh von zu Hause, landete im Heim. Später schlug er sich als Dachdecker, Türsteher und Fensterputzer durch. Das Fotografieren brachte er sich vor gut 20 Jahren selbst bei. Er hatte eine Kamera im Sonderangebot gesehen und gekauft. „Ich dachte, ich komme damit klar, aber die ersten Bilder konnte man in die Tonne treten.“ Er wollte die Kamera zurückgeben, aber der Verkäufer weigerte sich. „Das hat mich so geärgert, dass ich aus Verzweiflung einen Volkshochschulkurs gemacht habe.“ Die Bilder wurden besser, der Dozent bescheinigte ihm Talent. Die Fotografie hatte ihn. Viele Jahre arbeitet er analog, heute digital.

Inzwischen macht er auch Filme; Toscano betreibt eine Produktionsfirma. Vergangenen Samstag bekam er in Birmingham einen Preis für seinen Dokumentar-Film über die Suche der in Kiew lebenden Anna Strishkowa nach ihrer Herkunft. „Schwarzer Zucker, Rotes Blut“ heißt der Film über die Frau, die eines der Versuchskinder Josef Mengeles in Auschwitz war. Sie gehörte 2014 zu den Ersten, die Toscano fotografierte, der Kontakt brach nie ab. „Schwarzer Zucker, Rotes Blut“ hat er auch bei Dok Leipzig eingereicht.

Anfangs muss er aufwendig recherchieren, um Überlebende zu finden. Viele Versuche, über Verbände oder Vereine Kontakt mit Überlebenden aufzunehmen, laufen ins Leere. Toscano ist kurz davor aufzugeben, finanziell und emotional ist er an seine Grenzen geraten. Doch er macht weiter. „Heute habe ich das Gefühl, dass das Projekt mir hinterherläuft.“ Immer öfter melden sich bei ihm nun die Menschen, die er anfangs suchen musste. Und er wird mit Auszeichnungen behängt: 2021 etwa ernannte ihn die Unesco zum „Artist for peace“, im gleichen Jahr erhielt er den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Bis heute ist die Finanzierung aufwendig

In Leipzig ist „Gegen das Vergessen“ bis 18. Februar zu sehen, anschließend geht die Schau nach Innsbruck, Florenz und Palermo. Toscano ist wichtig, dass sie möglichst viele erleben, deshalb zeigt er sie zumeist im öffentlichen Raum, auch auf Schulhöfen. Die Finanzierung ist nach wie vor aufwendig. In Leipzig habe die Stadt Unterstützung zugesagt, erzählt Toscano. Geld kommt von Sponsoren, privaten Spendern, der Unesco oder dem World Jewish Congress, auch von staatlichen Stellen wie dem Auswärtigen Amt oder den Bundesländern.

Dass es um Demokratie und Humanismus weltweit wie auch in Deutschland immer schlechter bestellt ist, bekümmert Toscano sehr. „Ich weiß, dass meine Bilder nicht die Lösung sein können, aber hoffe, dass sie ein Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung sein können, mit dem, was geschehen ist und wieder geschehen kann.“ Hoffnung machen ihm vor allem junge Menschen. Als 2019 in Wien Porträts von Holocaust-Überlebenden mit Hakenkreuzen beschmiert und zerschnitten wurden, flickten junge Leute die Fotos und bewachten sie, auch Muslime halfen. „Der Ober-Rabbiner von Wien ist zu ihnen ins Zelt gekommen und hat ihnen Essen gebracht.“ Für Toscano ist das ein Bild dafür, dass Frieden möglich ist, auch wenn niemand daran glaubt. „Mit Krieg ist er nicht zu erreichen.“

Info: „Gegen das Vergessen“: Eröffnung am 27. Januar um 14 Uhr auf dem Leipziger Hauptbahnhof und dem Willy-Brandt-Platz. Die Ausstellung geht bis 18. Februar. Weitere Informationen: luigi-toscano.com


Jan Sternberg 27.01.2024

„Ich werde mich in meiner Rede für das Schweigen meines Vaters bedanken“

Marcel Reifs jüdischer Vater überlebte den Holocaust. Im Interview spricht der in Polen geborene Sportmoderator über seine tragische Familien­geschichte, den neuen Faschismus – und die Proteste gegen rechts. Am Mittwoch redet er im Bundestag – doch eine Opfererzählung habe er „nicht zu bieten“, so der 74-Jährige.

Marcel Reif (74) hat als Fußball­kommentator Geschichte geschrieben. Sein bester Satz fiel bei einer Partie, die noch gar nicht begonnen hatte: „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan“, sagte er 1998, als das Champions-League-Duell zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund wegen eines kaputten Tores mehr als eine Stunde später angepfiffen wurde. Seine Familien­geschichte aber war lange nur wenigen bekannt. Reifs Vater Leon, ein galizischer Jude, überlebte den Holocaust, nachdem er in letzter Sekunde aus einem Deportationszug gerettet wurde. Viele seiner Verwandten wurden in den Vernichtungs­lagern ermordet. Leon Reif sprach zeit seines Lebens nicht über das Grauen. Sein Sohn wird am kommenden Mittwoch im Bundestag in der Holocaust­gedenkstunde über das Schweigen des Vaters sprechen. Warum, hat er Jan Sternberg im RND-Interview erzählt.

Herr Reif, das Jahr hat turbulent begonnen: Ein Treffen, an dem der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner und AfD-Politiker teilnahmen, wühlt die Republik auf, weil auch über Pläne gesprochen wurde, wie man Millionen deutscher Staats­bürgerinnen und ‑bürger aus dem Land vergraulen könne. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Das ist für mich schwer zu fassen, nein: unfassbar! Mein Vater wird im Grab rotieren, wenn er mitbekommt, was in Deutschland wieder möglich ist. Dass es in Deutschland wie überall vereinzelte Antisemiten gibt, dass es Kriminelle, Wahnsinnige, ideologisch Verblendete gibt, das ist die eine Sache. Dass aber ein neuer Faschismus Raum greift, dass diese Gefahr real ist, das hätte ihn ehrlich schockiert.

Hundert­tausende demonstrieren jetzt fast jeden Tag gegen die AfD und für die Demokratie. Was kann daraus werden?

Jeder, der anständig denkt und das auf der Straße zeigt, ist mir willkommen. Es ist beeindruckend, dass diese schweigende Mehrheit jetzt hörbar und sichtbar geworden ist. Es brauchte vielleicht einen Anlass, einige historische Schlüsselreize, ein Treffen in einer Potsdamer Villa – das hat bei vielen ein bestimmtes Unbehagen, Erschrecken ausgelöst. Was bisher eine einmalige Reaktion war, muss zu einer durchgängigen Räson werden, einer deutschen Staatsräson, um diejenigen zur Räson zu bringen, die diese Demokratie zerstören wollen.

Ihr jüdischer Vater hat den Holocaust überlebt. Nach seinem Tod vor 30 Jahren hat Ihre Mutter berichtet, was er Ihnen zuvor nie erzählt hatte – was ihm während des Krieges geschah, was er gesehen hat. Wäre es für Sie einfacher gewesen, hätte sie das nicht berichtet?

Es geht nicht darum, was für mich einfacher gewesen wäre. Das habe ich auszuhalten, und es ist wenig im historisch-familiären Vergleich. Meine Mutter hat mir Dinge berichtet, die ich nicht habe hören oder wissen wollen. Ich wollte die grausamen Details nicht erfahren. Natürlich wusste ich, dass mein Vater den Holocaust überlebt hat. Die deutsche Geschichte habe ich verinnerlicht. Ich wusste auch, dass meine Großeltern, meine Tante, ihn nicht überlebt haben. Mir haben Großväter gefehlt. Auch meinen anderen Großvater haben die Nazis auf dem Gewissen. Der Vater meiner Mutter, ein katholischer Schlesier, ging eines Tages aus dem Haus und kam nie wieder. Es wurde gemunkelt, er habe „Feindsender“ gehört.

In der ersten Ankündigung des Bundestages zur diesjährigen Gedenkstunde wurden Sie als Angehöriger der „zweiten Opfer­generation“ bezeichnet. Finden Sie das eine treffende Bezeichnung?

Als Opfer sehe ich mich nicht. Ich habe keine Opfer­erzählung zu bieten, außer dass mein Vater den Holocaust überlebt hat. Ich möchte kein Handlungs­reisender in Sachen der Geschichte meines Vaters sein. Ich bin schon gar nicht sein Sprachrohr. Wenn mein Vater hätte sprechen wollen, dann hätte er gesprochen. Ich werde mich in meiner Rede im Bundestag für sein Schweigen bedanken.

Warum bedanken? Andere Kinder von Holocaust­überlebenden kritisieren ihre Eltern für ihr Schweigen. „Man wird in dieses Leben geworfen und gehört nirgendwo hin“, sagt Maya Lasker-Wallfisch, deren Mutter Anita Lasker-Wallfisch lange nicht mit ihr über ihre Zeit in Auschwitz und Bergen-Belsen sprach.

Jeder hat seine eigenen Erfahrungen und Ansichten. Meine Eltern sind mit mir von Polen zuerst nach Israel ausgewandert, wo sie nicht heimisch wurden. Von dort sind sie nach Deutschland gezogen, und die Familie meines Vaters hat ihm lange vorgeworfen, ins Land der Mörder gegangen zu sein.

Warum haben sie sich für Deutschland entschieden?

Sie hatten entfernte Verwandte und Bekannte, aber vorwiegend waren es wirtschaftliche Gründe. Mein Vater wollte uns Kindern ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Und dafür hat er alles getan, vor allem: geschwiegen. Meine Eltern wollten nicht, dass wir in jedem zufälligen Mann auf der Straße, in jedem Postboten und jedem Metzger einen möglichen Mörder unseres Großvaters sehen. Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass ich meinen Platz gefunden habe. Und es ist ein sehr schöner Platz geworden.

Und das alles wurde mit dem Schweigen erkauft?

Die zweite Generation hat das nicht zu bewerten. Sie kann sich nur in Demut verneigen – und in meinem Fall in Dankbarkeit für eine dumpfbackig fröhliche Nachkriegs-Wirtschaftswunder-Kindheit mit Problemen, die grotesk banal sind im Vergleich zu dem, was mein Vater durchleben musste.

Ihr Vater starb 1994. Was hätten Sie ihn gerne noch gefragt?

Heute würde ich mich mit meinem Vater gerne hinsetzen und mit ihm über all das reden, was er vor uns verborgen hat. Ich möchte ihn aber nicht leiden sehen. Er hatte diese dunklen Momente, in denen er plötzlich nicht mehr der fröhliche, zugewandte Vater, Großvater war. Das passierte gerade dann, wenn ich mit meinem kleinen Sohn zu Besuch kam. Da wollte ich ihn zur Rede stellen: „Dein Enkel besucht dich, und du schottest dich ab?“ Meine Mutter machte in solchen Momenten immer eine Hand­bewegung: Lass, du weißt ja gar nichts. „Du weißt ja gar nichts“, das war ihr Satz. Dann war ich ruhig.

Was war es, das sie nicht wussten?

Viel später erzählte sie mir, dass die Begegnung mit seinem Enkel in ihm die Erinnerung an ein Kind wachrief, das er nicht hatte retten können. Sie waren auf der Flucht vor den Deutschen und ließen einen kleinen Jungen bei polnischen Bauern zurück, um ihn später abzuholen. Als sie wiederkamen, sagten die Bauern: Die Deutschen sind gekommen, wir mussten den Jungen die Klippe hinunterstürzen. Das sind Dinge, die gehen für mich auch heute noch weit über das Erträgliche hinaus. Sie machen mich fassungslos.

Ihr Vater wurde mit 18 Jahren aus einem Deportationszug gerettet. Der spätere Krupp-Chef Berthold Beitz, damals bei der Karpathen Öl im besetzten Galizien tätig, rettete 1500 Juden das Leben, indem er sie als kriegswichtig für seine Firma deklarierte. Hat Ihr Vater nach dem Krieg je Kontakt zu Beitz aufgenommen?

Das weiß ich nicht, es würde mich wundern. Es würde gegen alles sprechen, wie mein Vater mit seinen Erinnerungen und seinen dunklen Phasen umgegangen ist. Es gibt eine Ausnahme: Eines Tages in den 1960er-Jahren sah mein Vater in Heidelberg Albert Speer auf der Straße. Das erschütterte ihn zutiefst. Er konnte nicht fassen, dass Hitlers Rüstungs­minister, so ungebeugt auf der Straße herumlief, während die Eltern und die kleine Schwester meines Vaters im KZ ermordet worden waren. Er hat einen Leserbrief an die „Welt“ geschrieben, das war die Tageszeitung, die er abonniert hatte. Aber ich glaube, er hat ihn nie abgeschickt.

Ihre Sprachen in Ihrem Elternhaus waren Deutsch, Polnisch, eine schlesische Mischung von beidem – und das Jiddische Ihres Vaters. Können Sie es noch?

Ich muss die Worte festhalten, um sie nicht zu vergessen. Das Jiddische ist mit das Wärmste, was ich von meinem Vater behalten habe.

Haben Sie die Orte seiner Heimat besucht – Lemberg, Boryslaw in der heutigen Ukraine?

Meine Erinnerung hängt nicht an Orten. Ich bin auch kein Friedhof­gänger. Ich brauche keine Steine, um mich zu erinnern. Meine Frau hat mir eine Reise nach Warschau geschenkt, wo ich als kleiner Junge mit meinen Eltern gewohnt habe. Hier hat mein Vater mich zum Fußball mitgenommen, beim Armee­sportklub Warschau, dem Verein, der heute wieder Legia Warschau heißt. Wir wohnten in einem Neubau …

… der auf dem Gelände des früheren jüdischen Ghettos stand.

Auch das war kein Thema, auch darüber hat niemand geredet. Mir als Kind kam das Haus damals wie ein Wolkenkratzer vor, dabei ist es nur fünfstöckig. Natürlich haben wir dann auch das Ghetto­denkmal besucht. Aber Orte lösen nichts in mir aus.

Dieses Jahr könnte in Deutschland ein Schicksalsjahr für die Demokratie werden. Die AfD liegt vor den drei Landtags­wahlen im Osten weit vor allen anderen Parteien. Wie wird das Land am Ende des Jahres aussehen?

Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg und noch einmal nach der Vereinigung eine zweite Chance bekommen, ein besseres, ein richtiges Land zu sein. Und wer hat diesem Land die zweite Chance gegeben? Die Überlebenden der ersten Generation, wie die 91-jährige Eva Szepesi, die auch im Bundestag sprechen wird. Auch sie hat übrigens ein halbes Jahrhundert geschwiegen. Nun sollten die Leute dieser ersten Generation zuhören und ihre zweite Chance ergreifen. „Nie wieder!“ ist kein Appell, ist keine Mahnung, Das lässt mir beides viel zu viel Spielraum. „Nie wieder!“ ist eine Existenz­grundlage dieses Staates, nicht weniger als das. Und ich hoffe, dass die Deutschen das beherzigen. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Das betrifft den Antisemitismus und Rechts­extremismus im Land, das betrifft auch den Terror der Hamas, den wir alle verurteilen müssen. Aber was ich in den letzten Tage an Demonstrationen, an Haltung auf Deutschlands Straßen sehe, lässt mich hoffen.

Zur Person

Marcel Reif
Marcel Reif wurde 1949 als Marek Nathan Marceli Reif in Wałbrzych (Waldenburg) in Polen geboren. Seine Mutter ist schlesische Katholikin, sein jüdischer Vater kam aus der Nähe von Lemberg. Sein Großvater väterlicherseits hatte eine Möbelfabrik. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gehörte auch der Manager Berthold Beitz zu seinen Kunden. Beitz rettete in dieser Zeit 1500 Juden aus den Deportations­zügen in die Vernichtungslager, auch Leon Reif war darunter. 1956 übersiedelte die Familie nach Israel. Als Reif acht Jahre alt war, zogen sie von Tel Aviv nach Kaiserslautern. Reif begann seine journalistische Karriere in der politischen Redaktion des ZDF und wechselte dann zum Sport. Ab 1994 war er Chefkommentator Fußball bei RTL, später bei Premiere. 2013 nahm Reif die Schweizer Staatsbürgerschaft an.


Lucie Wittenberg 27.01.2024

Mein Opa war ein Nazi

Jahrzehntelang gab es eine Leerstelle in der Familie: Über den Großvater Hans gab es nur wenige Geschichten zu erzählen. Fest stand, dass er ein Nationalsozialist war. Die Geschichte einer Enkelin und ihrer Recherche – und wie sie das Leben der nachfolgenden Generation verändern könnte.

Es gab da immer diesen Schrank. Ein altes Modell, das im Schlafzimmer des Vaters stand. Braun und aus robustem Holz. Und es gab die Einschusslöcher, die sie sehen konnte, jedes Mal, wenn sie durch den Türspalt in das Zimmer lugte. Jedes Mal, wenn ihr Vater vor dem Schrank stand, um sich für den Tag fertig zu machen. Die Einschusslöcher waren nicht immer in dem Schrank. Ihr Vater hatte ihn so nicht gekauft. Er hatte selbst mit seiner Pistole auf ihn geschossen. Ich kannte aus Erzählungen meiner Familie lange nur zwei Geschichten über meinen Großvater Hans, den Vater meiner Mutter. Die eine handelt von seinem Tod. Davon, wie er Jahre vor meiner Geburt im Meer ertrank. Die andere, wie er bei einem Trinkgelage auf einem Familienfest in den Schrank schoss.

Diese Geschichte hat sich in mein Gedächtnis gebrannt, ich habe sie Freunden erzählt, ich habe mit meinem Bruder darüber gesprochen, ich habe sie mir vorgestellt und ausgemalt. So richtig verstanden habe ich sie nie. Sie war lange Zeit nur eines der Puzzleteile, die ich von meinem Großvater hatte, aber nie zusammenfügen konnte. Über einen Teil seines Lebens wurde in meiner Familie wenig gesprochen: Mein Großvater war Nationalsozialist. Ein Leben in zwei Ordnern. Was er genau getan hat? Wusste keiner so genau. Zwar war ich nicht die Einzige, die sich diese Frage in meiner Familie gestellt hat, aber die Erste, die sie beantworten wollte.

Zwei vergilbte Ordner mit dem Leben meines Opas

Bei einem Besuch in meiner Heimatstadt übergibt meine Mutter mir seine Akten. Es sind zwei vergilbte Ordner, die sie eigentlich wegschmeißen wollte. Darin steckt das Leben meines Großvaters in unzähligen Dokumenten, Briefwechseln, Gerichtsurteilen. Was für meine Mutter ein Abschluss mit der Vergangenheit sein sollte, ist für mich der Beginn einer Suche. Und eine Chance: Ihn als Menschen besser kennenzulernen, zu verstehen, wie er meine Mutter prägte. Und mich. Schon länger frage ich mich, wie viel Einfluss meine Familie darauf haben könnte, dass ich ständig das Gefühl habe, das Schlimmste könnte jederzeit passieren. Die konstante Angst vor dem Chaos. Waren es nicht nur meine Eltern, die mir diese Gefühle mitgegeben haben, sondern auch mein Nazi-Großvater?

Beim Lesen der Akten stelle ich schnell fest, dass er kein Mitläufer war. Er war jemand, der zugelangt hat, der schnell im NS‑System aufgestiegen ist. Ich stoße auf ein Wehrmachtsforum im Internet. Da stehen seine Kriegseinsätze und die Einheiten, mit denen er im Ausland wahrscheinlich Menschen ermordete. Plötzlich ist er nicht mehr nur in der Vergangenheit, sondern auch im Hier und Jetzt.

Frühes NSDAP-Mitglied

Mein Großvater Hans, geboren 1902, tritt 1925 in die NSDAP ein, Mitgliedsnummer 11.686. 1926 geht er zur SA, wird Sturmbannführer. Er ist Parteimitglied, noch bevor der Hitlergruß eingeführt wurde. Die NSDAP war in den Städten noch kein Massenphänomen. Doch mein Opa, der in Berlin lebte, war von ihrem Erfolg überzeugt. In einer späteren Beurteilung, die ich in den Akten finde, steht über ihn: „Seit dem Jahre 1925 steht er als unermüdlicher begeisterter Kämpfer in den vorderen Reihen der Partei. Unerschüttert durch harte politische Strafen, vorbildlich in seiner Weltanschauung und in seiner Treue zum Führer.“

Nicht nur seine politische Überzeugung, sondern auch seine Waffenliebe scheint er früh entwickelt zu haben. Ich erfahre etwas, das sich in meiner Familie bisher niemand erzählt hat: Mein Großvater, so lässt es sich rekonstruieren, hat lange vor der Machtergreifung Hitlers und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs einen Menschen erschossen. Und das auf offener Straße.

Zwei Schüsse treffen den Mann in den Hals

Berlin, einen Tag vor der Reichstagswahl am 14. September 1930. Die Stimmung ist politisch aufgeheizt. Joseph Goebbels organisiert das erste Mal den Wahlkampf der NSDAP. Die Wahl wird ein erster großer Erfolg für die Partei, sie geht daraus als zweitstärkste Fraktion hervor, und die Wahl wird den Anfang vom Ende der Weimarer Republik markieren. Tage vor der Wahl organisiert die Partei zahlreiche Propagandamärsche, klebt Plakate, verteilt Handzettel. Einen dieser Propagandaumzüge führt mein Großvater am 13. September.

Auf dem Heimweg, gekleidet in seine SA‑Uniform, den schwarzen kniehohen Stiefeln, eine Schaftmütze auf dem Kopf, trifft er auf Kommunisten. Sie kennen ihn in diesem Viertel. Sie bewerfen ihn mit Steinen, wollen ihn vertreiben. Hans gibt Schüsse aus einer Schreckschusspistole ab. Er flüchtet sich in seine Hochparterrewohnung und schießt mit einem Jagdgewehr, das er im Schrank aufbewahrt, zweimal aus dem Fenster. Die Kommunisten sind da bereits geflohen, so lese ich es in den Polizeiakten. Hans trifft einen unbeteiligten Mann an einer Haltestelle in den Hals. Als der Mann ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist er tot. In einem Berufungsverfahren wird mein Großvater wegen Notwehr freigesprochen.

Es gibt ein Foto meines Großvaters, das ihn am Tag des Todesschusses zeigen könnte. Es ist allerdings nicht ganz klar, ob es ihn wirklich an diesem besonderen Tag zeigt. Hans marschiert in den vordersten Reihen eines Propagandaumzuges, die Hand am Gürtel, den Blick in die Kamera. Hinter ihm prangt eine Fahne mit dem Hakenkreuz, darüber steht „Deutschland erwache“.

Auf der Rückseite des Fotos stehen die Namen der Menschen, mit denen er den Umzug anführt: Einer von ihnen ist Herbert Packebusch, ein SS‑Führer. Das Foto gibt mir meine Mutter, mein Großvater bewahrte es in den Akten auf. Sie erzählt mir, dass Hans früher stolz darauf war, dass es in einem Lexikon unter dem Stichwort „Nationalsozialismus“ abgedruckt war. Ich frage meine Mutter, ob sie etwas über den tödlichen Schuss auf den Unbeteiligten weiß. Sie verneint, wird still.

Es ist, als hätte ich ihr die Geschichte gar nicht erzählt, als hätte sie nicht gehört oder verstanden, was ich gesagt habe. Liegt es daran, dass ich ihr Dinge über ihren Vater erzähle, dass sie ihren Vater so nicht kennt? Dass es nicht zu ihm passt, trotz der Schüsse in den Schrank? Sicher ist: Der Vorfall in Berlin 1930 sollte nicht das letzte Mal sein, dass mein Großvater für den Tod eines Menschen verantwortlich ist.

Hans war kein Mitläufer

Als Hitler 1934 die SA‑Führung liquidiert und die SA ihre politische Bedeutung verliert, findet mein Großvater über seine Kontakte einen Job bei der Polizei. Innerhalb weniger Jahre steigt er zum Hauptmann der Schutzpolizei und Hundertschaftsführer auf. Hans, so viel wird mir bei der Rekonstruktion seines Lebens immer wieder klar, war kein Mitläufer. Und noch etwas kann ich herausfinden: Auch an den Kriegsgräueln und der massenweisen Vernichtung von Millionen von Juden war mein Großvater beteiligt. Er hält sich an Kriegsschauplätzen in Ungarn, Polen und der Ukraine auf. Er führt Schutzmannschaften.

Sie wurden in der „Endlösung der Judenfrage“ zur Bewachung von Konzentrations‑ und Vernichtungslagern eingesetzt. Er arbeitet auch für den Sicherheitsdienst, dort, wo politische Gegner bekämpft und vernichtet wurden. Der Sicherheitsdienst, der für zahlreiche Kriegsverbrechen in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten verantwortlich war.

Es ist das erste Mal, dass ich ein klareres Gefühl zu meinem Großvater bekomme. Das verschwommene Bild, das ich bislang von ihm hatte, gewinnt an Schärfe. Es bekommt Umrisse, Farbabstufungen. Das, was ich sehe, ist schwer zu ertragen. Und füllt gleichzeitig eine große Lücke. Die vorher unbekannten Geschichten sind die, die Raum für Interpretation lassen. In meiner Familie ebenso wie in anderen Familien. Sie prägen ein Gefühl des Nichtwissens, der Unsicherheit. Wenn Menschen Erlebnisse verdrängen, verschwinden die Geschichten nicht einfach, das weiß die Forschung seit Jahren. Der Schmerz, die Angst und die Ohnmacht stauen sich an. Und auch die nachfolgenden Generationen leiden darunter. Der Schmerz kann an Kinder und Enkelkinder weitergegeben werden, die noch weniger mit diesen Gefühlen umgehen können, weil es nicht ihre sind. So geht es mir, aber auch anderen.

Viele Kriegsenkel kennen solche Gefühle, erklärt mir Angela Moré. Sie ist Sozialpsychologin und forscht zu transgenerationalen Übertragungsprozessen – also die oft unbewusste Weitergabe (traumatischer) Erfahrungen an nachfolgende Generationen. Moré sagt, dass Kinder der NS‑Täter, wie meine Mutter, ungewollte Erben der elterlichen „Schatten“ werden. Viele wurden von ihren Eltern belogen, getäuscht und nicht selten auch physisch bedroht. Um dem zu entgehen und die eigenen ambivalenten Gefühle abzuwehren, fangen einige von ihnen an, selbst zu leugnen und zu verharmlosen. Vergleichen mit den Geschichten und Traumata der Holocaust-Überlebenden lässt sich das nicht. Hier sind die Folgen tiefer, und es gibt selten Großeltern, die von den Nazis erzählen können, weil die Großeltern systematisch ausgelöscht wurden.

Ein Konglomerat aus Schuld und Scham, Schweigen und Verdrängen

In den Täterfamilien, so scheint es, lebt stattdessen ein Konglomerat aus Schuld und Scham, Schweigen und Verdrängen weiter. Bis heute und trotz der 1968er-Bewegung. Dass meine Mutter so wenig über ihren Vater gesprochen hat, sei ein Weg, der Scham aus dem Weg zu gehen, sagt Sozialpsychologin Moré: Die Scham über einen Vater, der sich schuldig gemacht hat, der ein Nazi war. Meine Mutter habe diese Schuldgefühle in sich aufgenommen. Ich verstehe: Ihr Mauern ist ein Umgang damit. Und der Umgang von vielen anderen Kindern dieser Generation. Zwei Drittel der Deutschen glauben, dass ihre Eltern und Großeltern keine NS‑Täter waren, sondern vielmehr Juden und andere Verfolgte gerettet haben. Angebliche Heldengeschichten füllen eine Lücke, die das Schweigen in deutschen Familien hinterlassen hat.

Mit den wahren Geschichten gibt man nicht an: Mit dem Großvater, der Juden ermordete oder schreckliche Taten im Nationalsozialismus beging. Ist das auch eine Erklärung für den Aufstieg der Rechten, die einen Schlussstrich unter der Erinnerungskultur wollen? Die behaupten, dass unsere Vorfahren nie Verbrecher gewesen sind? Deutschland ist bei Weitem kein „Aufarbeitungsweltmeister“, sagt Johannes Spohr. Er ist Historiker in Berlin und hat ebenfalls seine eigene Familiengeschichte erforscht. Bis heute sei die postnationalsozialistische Gesellschaft stark von den Ereignissen der NS‑Zeit geprägt, sagt er. Das zeige sich unter anderem im Weiterleben von Ideologien, die im Nationalsozialismus essenziell waren. Mit dem Glauben, man habe diese Ideologien überwunden, versperrt sich der Blick für Kontinuitäten.

Ein Blick auf die Kriminalitätsstatistik zeigt, dass es in der Bundesrepublik weiter Antisemitismus, Antiziganismus und antislawischen Rassismus gibt. Und: Die Fälle von rassistischer Gewalt steigen. 22 Prozent der Deutschen würden einer aktuellen Umfrage zufolge die in Teilen offen rechtsextreme AfD wählen. Laut einer anderen Befragung wollen 37 Prozent der Deutschen einen Schlussstrich unter die Erinnerungskultur ziehen.

Psychisches Erbe nennt die Psychologin Moré dieses Phänomen: „Das sind zum Beispiel beunruhigende innere Bilder, Gefühle von unklarer Schuld. Das sind Impulse, irgendetwas wiedergutmachen zu müssen“, sagt sie. Es gebe zudem auch Gefühle in der Enkelgeneration, kein Recht darauf zu haben, es gut und leicht zu haben und sich stattdessen schämen zu müssen.

Zur Bewältigung und nachträglichen Trauer brauche es nachkommende Generationen, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Am Ende des Gesprächs frage ich Moré, ob ich die Dynamik in meiner Familie mit der Recherche verändern könne. Ihre Antwort gibt mir zu denken: Sie sagt, ich sei schon dabei.

Wie bringen wir uns wieder zum Sprechen?

Während meiner Recherche machen meine Freundinnen den Witz, dass wir die Generation seien, die den „Fluch“ brechen könne, dass wir die Sprachlosigkeit unserer Eltern und Großelterngeneration aufheben können. Dass unsere Kinder und vielleicht auch wir weniger oder gar keine Therapie mehr brauchen, weil wir über die Dinge sprechen können – seien sie noch so unangenehm. Und ich habe den Wunsch, dass auch meine Eltern mehr über sich und ihre Familie sprechen und wir uns weniger anschweigen. Ich glaube, und vielleicht hoffe ich das auch nur, dass ich das mit dieser Recherche ein wenig erreichen kann. Für mich und für die nachfolgenden Generationen, die mindestens genau so viele Fragen haben wie ich. Und für die Gesellschaft, die bis heute ihre Schuld nicht wirklich anerkennen will.

Der Weg dorthin ist schwierig, auch für meine Mutter. Sie erzählt mir von schönen Tagen, an denen sie und mein Großvater gemeinsam durch die Stadt schlendern, er ihr Süßigkeiten und einen Pelzmantel kauft. Auch das gab es, auch wenn es in keiner Akte auftaucht. Und meine Mutter bäumte sich immer wieder gegen ihn auf: Konfrontierte ihn als junge Frau mit seiner Vergangenheit. Schrieb ihre Magisterarbeit über Frauen im Nationalsozialismus. An irgendeinem Punkt scheint sie sich aber für eine oder ihre Version der Geschichte entschieden zu haben.

Meine Mutter erzählt auch von Besuchen bei einem alten „Kameraden“ meines Großvaters, der in einem stattlichen Haus am Chiemsee lebte und dessen Hunde aufs Wort hörten. Sie lässt seinen Namen wie beiläufig fallen. „Heini Gewehr“, so hätten sie ihn immer genannt. Ich suche seinen Namen im Internet. Heini ist Hans Georg Gewehr, er war unter anderem als SA‑Führer und später als Hundertschaftsführer in Polen persönlich an der Organisation und Durchführung von Gefangenenerschießungen beteiligt. Das zeigen Aktenfunde aus den 1990er-Jahren. Mein Großvater und er kannten sich von der Schutzpolizei.

Ein paar Tage später schreibe ich meiner Mutter: Ich frage sie, ob diese Informationen etwas an ihrem Gefühl zu ihrem Vater verändern. „Nein, das war damals so“, antwortet sie knapp. Wieder scheint es keine Worte zu geben. Die Reaktion meiner Mutter überrascht Sozialpsychologin Moré nicht. „Das liegt an dem Bild, das sich Ihre Familie für Ihren Großvater zurechtgelegt hat“, sagt sie.

Mit allen Abwehrmechanismen sei immer ein Leiden verbunden, das im Untergrund weiter grummle und an die nächste Generation mit einer ähnlichen Intensität weitergegeben werde. Nach meiner Whatsapp-Nachricht über den wahren „Heini Gewehr“ schreibt mir meine Mutter dann doch. Sie sagt, dass sie stolz darauf sei, was ich herausgefunden habe. Und erschrocken über das, was ihr Vater getan hat. Dass er gemordet hat, dass er sie als Kind zum Spielen in das Haus eines Mannes mitnahm, der im Krieg wohl mindestens genauso schreckliche Verbrechen beging wie ihr Vater.

Wir haben Worte, um darüber zu sprechen

Sie bricht das Schweigen. Durch die neuen Geschichten, die ich in meine Familie bringe, und seien sie noch so schockierend, rücken wir enger zusammen. Wir haben endlich Worte, über all das zu sprechen. Einzelne Geschichten stoßen weitere an. Ich spüre, dass sich die Dynamik verändert, genau wie Moré es mir am Telefon gesagt hat. Nach vielen Jahren reden meine Mutter und meine Tante das erste Mal wieder über ihre Kindheit. Meine Mutter weint, als sie mir erzählt, wie sie als Kind von ihrem Vater gedemütigt wurde, wie sie unter seiner Härte und Wortkargheit litt. Ich sehe hinter meinem Bild von ihr auf einmal ihre Verletzlichkeit, empfinde Mitgefühl.

Der abwertende Umgang mit Ängsten, Trauer oder Mitgefühl, den die Nationalsozialisten kultiviert hatten, wirkt noch heute nach. Das Mantra – „Härte zeigen, Zähne zusammenbeißen“ – wurde millionenfach an die nächste Generation weitergegeben, sagt Psychologin Moré. Während meiner Recherche schreibt mir meine Tante: „Du hast ihn ja nicht mehr erlebt, sondern seinen Nachhall in uns. Das ist nicht besser oder schlechter, nur sind da schon Filter dazwischen.“

Dieser Filter ist es, der es mir überhaupt erst möglich macht, die Geschichte meines Großvaters aufzuschreiben. Ich bin nicht die, die ihren Vater verärgert, nicht die, die von ihm mit Schweigen bestraft wird. Ich bin die, die mehr Geschichten in unsere Familie gebracht hat. Denn die Geschichten wollten erzählt werden, es fehlten nur die Worte. Aber: Die wahren Opfer der NS‑Zeit waren und sind andere. Es sind Millionen Jüdinnen und Juden und andere Verfolgte, die von den Nazis umgebracht wurden. Dass so etwas nicht wieder passieren kann, liegt nicht nur in der Verantwortung für unsere Zukunft, sondern auch in der Verantwortung für die Vergangenheit.


Timm Lewerenz 27.01.2024

„Alt sein heißt nicht stumm sein“: Warum die Omas gegen rechts auf die Straße gehen

Mahnwache mit Rollator, Tiktok-Videos und markige Sprüche: Die Omas gegen rechts sind auf beinahe jeder Demo zu treffen. Was treibt sie an? Und was können sie bewirken?

Hunderttausende zeigten Haltung: Nach den Enthüllungen über ein konspiratives Treffen von Rechtsextremen durch Correctiv kommt es in zahlreichen Orten – von der Großstadt bis in die Provinz – zu Großdemonstrationen gegen rechts.

Mit dabei ist eine Organisation, die es seit sechs Jahren immer wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit schafft: Die Omas gegen rechts. Schützend setzten sie sich auf ihrem Rollator vor Synagogen, „Querdenkerinnen“ und „-denkern“ traten sie auf Demos entgegen und selbst in der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ gaben sie im Jahr 2020 eine kleine Gesangseinlage – gegen „anonyme Hetzer“ und „rechte Dummschwätzer“.

Dieses Feindbild teilen die Omas gegen rechts mit vielen anderen aktivistischen Gruppierungen, an deren Seite sie auf die Straße gehen. Und doch ist ihr Protest ein besonderer, ihr Antrieb persönlicher. Die Omas gegen rechts sind ein komplexes Phänomen. Was treibt sie an? Wer steckt dahinter? Um das zu verstehen, hilft ein Anruf bei Anna Ohnweiler, Vorsitzende des Vereines Omas gegen rechts in Deutschland.

„Ich war schon immer ein politischer Mensch“, sagt die ehemalige Lehrerin, die für die SPD im Gemeinderat von Nagold sitzt, einer Kleinstadt im Nordschwarzwald. Sogar für das EU-Parlament habe sie einmal kandidiert, damals noch für die CDU. Die Omas gegen rechts in Deutschland gründete sie im Januar 2018. Und von Beginn an stand eine Partei im Fokus ihrer Arbeit.

Wie viele Omas gegen rechts gibt es?

„Im Herbst 2018 wurde die AfD die stärkste Oppositionspartei, die unter Frauke Petry am rechten Rand fischte“, erzählt Ohnweiler. Seitdem habe sich die Partei völkisch-nationalistisch radikalisiert – was den Widerstand unter den Seniorinnen umso größer machte. Bei Facebook gebe es mehr als hundert Omas-gegen-rechts-Gruppen, sagt Ohnweiler. Sie schätzt: „Deutschlandweit gehen wir von 20.000 bis 30.000 aktiven Teilnehmerinnen aus.“

Ganz genau kann man das auch deshalb nicht messen, weil die Omas gegen rechts nicht zentral verwaltet werden. In Deutschland gibt es zwei Dachverbände: Das Bündnis der Omas gegen rechts vertritt vor allem die Regionalgruppen Norddeutschlands. Ohnweilers Verein ist für den Süden zuständig. Mehrere lokale Initiativen sind keiner der beiden Verbände zugeordnet.

Welche Aktionen führen die Omas gegen rechts durch?

Auch was das konkrete Verhalten auf den Straßen betrifft, mit wem man sich solidarisiert, unterscheidet sich von Region zu Region. Was alle jedoch eint, ist der Kampf gegen rechts, den sie in ihrem Namen tragen. Und gerade das macht auch ihre Breitenwirkung aus, sagt Pia Schöngarth von der Philips-Universität Marburg. Die studierte Kulturwissenschaftlerin verfasste 2022 ihre Masterarbeit über die Omas gegen rechts. „Die Bewegung hat gerade deshalb eine so breite Anschlussfähigkeit, weil sie gegen rechts sind und ihrem Namen nach nicht explizit für etwas“, sagt Schöngarth. So finden sich dort linke Stimmen ebenso wie eher konservative Bürgerinnen.

Für ihre Arbeit begleitete Schöngarth mehrere Monate lang die Oma-Ortsgruppe in Gießen und studierte ihre Aktionen. „Der Fokus liegt auf dem Straßenprotest, dazu kommen die politische Information zum Beispiel an Ständen in der Fußgängerzone.“ Auch an bestimmten Terminen, sei es dem Holocaust-Gedenktag oder dem Weltfrauentag, seien die Omas aktiv, leisteten Aufklärung, setzten Zeichen für Zivilcourage – selbst auf Tiktok und Instagram seien sie vertreten.

Die österreichischen Wurzeln der Omas

Die Wurzeln der Bewegung liegen allerdings nicht in Deutschland, sondern in Österreich im Jahr 2017. Genauer gesagt in der Empörung der ehemaligen Pfarrerin und Psychotherapeutin, Monika Salzer, über die bevorstehende Kabinettsbildung.

„Ich habe die Omas gegen rechts gegründet, weil deutlich wurde, dass die FPÖ – eine klar rechtsextreme Partei – an der Regierung beteiligt sein wird.“ Salzer formulierte die Prinzipien der Bewegung, komponierte Protestlieder und kleidete ihr Ansinnen in klare Worte: „Alt sein heißt nicht stumm sein.“

Schließlich sind es gerade Menschen dieser Generation, die noch viel näher erfahren haben, was jüngere Aktivisten und Aktivistinnen meist nur aus der Schule kennen. Zwar haben auch die aktiven Omas – oft zwischen 60 und 80 Jahre alt – Krieg und Nazi-Herrschaft nicht oder zumindest nicht bewusst miterlebt. Spürbar waren die Folgen in ihrem Leben trotzdem.

„Meine beste Freundin war Jüdin“, erzählt Salzer. „Ihre Eltern hatten sich in Auschwitz kennengelernt.“ Der Rest der Familie wurde ermordet. Anna Ohnweiler berichtet: „Meine Eltern gehörten zur deutschen Minderheit in Siebenbürgen und wurden 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert.“ Sie selbst wuchs unter der Diktatur Nicolae Ceaușescus im sozialistischen Rumänien auf, floh 1979 nach Deutschland. Ohnweiler hält fest: „Eine Zeit, in der Kinder die Scherben einer Diktatur wegfegen müssen, die darf es nie wieder geben.“

Wenn die Alt-68er wieder zu den Plakaten greifen

Dieser Motivation ist auch Pia Schöngarth bei ihrer Feldstudie begegnet. Die Generation der Omas habe ganz andere Kämpfe mit ihrem direkten Umfeld, auch der eigenen Familie, führen müssen. „Wenn wir uns fragen, wie sich unsere Großeltern oder Urgroßeltern während der Zeit des Nationalsozialismus verhalten haben, dann ist das eine viel größere emotionale Distanz, als wenn man selbst im Krieg geboren ist oder direkt danach“, sagt Schöngarth.

Diese Betroffenheit des Umfeldes hat viele dieser Generation – darunter auch Monika Salzer – bereits in den späten Sechziger- und Siebzigerjahren auf die Straße getrieben. Danach jedoch wurde es für viele ruhig, sagt Pia Schöngarth: „Bei vielen verstummte das Engagement aufgrund des Familien- und Berufslebens.“ In den Interviews, die sie mit den Aktivistinnen führte, bekannten mehrere, sie würden es bereuen, lange nicht politisch tätig gewesen zu sein. Die Erfolge der AfD empfänden manche als Folge dieses Versäumnisses.

„Wir machen das nicht für uns, unsere Pension oder Gehhilfe!“

Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen den Protesten der Studentenbewegung 1968 und den demonstrierenden Seniorinnen 2024: Damals gingen sie für eine bessere Welt auf die Straße, die vor allem ihre eigene Zukunft bestimmen würde. Heute tun sie es für jemand anderes.

Mit Nachdruck stellt Salzer klar: „Wir machen das nicht für uns, nicht für unsere Pension, für ein längeres Leben oder unsere Gehhilfe! Wir machen es für die Jugend!“ Die nämlich habe keinerlei „Lobby“ – höchstens gegen sich: zum Beispiel die Auto-Lobby, wenn sie sich auf die Straße klebten. „Uns stand die Welt noch offen“, sagt Salzer. Während die Jungen von heute um Wohnraum, Heizung und Berufe kämpfen müssten.

In dieser Sorge um die Enkelgeneration schimmert etwas durch, was man als das wohl wichtigste Alleinstellungsmerkmal der Bewegung bezeichnen kann: die soziale Rolle der Oma.

Aus Sicht von Pia Schöngarth ist es kein Zufall, dass sich die Gruppe Omas gegen rechts nennt und nicht Seniorinnen oder alte Frauen – selbst wenn die Mitgliedschaft keinesfalls an eine biologische Großmutterschaft geknüpft ist. „Mit der Oma als sozialer Rolle werden oft Funktionen in der Familie assoziiert, wie Stricken, Kochen, Backen und das Erzählen von Geschichten“, sagt Schöngarth. Essenziell sei dabei: „Das Oma-Sein ist traditionell auf den privaten Raum fokussiert.“ Und genau damit bricht die Bewegung. Diese Omas treten in die Öffentlichkeit – und daher kommt ihre Wirkung.

Solidarisieren sich die Omas mit der Letzten Generation?

„Als Omas sind wir immer in der Verantwortung für das alltägliche Miteinander in unserer Familie“, sagt Salzer. Das schärfe den Blick für das Wesentliche: „Eine friedliche Zukunft in einem Europa, in dem sich unsere Kinder und Enkelkinder nicht als Verlierer empfinden.“ Für Salzer gehört dazu auch die Unterstützung der Letzten Generation. Anna Ohnweiler begrenzt sich hingegen lieber auf die Solidarität mit Fridays for Future. Sie erinnert sich an den letzten gemeinsamen Protest und an ein Plakat, das eine Oma mit sich trug. „Klimaschutz ist Enkelschutz“ war darauf zu lesen.

Die Großkundgebungen der jüngsten Zeit machen den beiden Oma-Vorsitzenden Hoffnung. „Die Menschen sind aufgewacht und haben erkannt, dass die Mehrheit nicht länger schweigen darf“, sagt Ohnweiler. Salzer stimmt zu: „Es hat sich das andere Deutschland gezeigt.“ Das könne man gar nicht hoch genug schätzen. Jetzt seien die Leute ermutigt. „Das wird nicht aufhören, der Protest geht weiter.“


Klaus Staeubert 27.01.2024

Gedenken an deutsche Vertriebene: Warum sich Leipzig damit schwertut

Ist es angemessen, angesichts von mehr als 50 Millionen Toten an deutsche Vertriebene im 2. Weltkrieg zu erinnern? Für einige Leipziger Stadträte ist das auch eine ganz persönliche Frage.

Im kommenden Jahr jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Mehr als 50 Millionen Menschen verloren in diesem vom faschistischen Deutschland entfachten größten und verlustreichsten Konflikt der Menschheitsgeschichte ihr Leben. Darunter sechs Millionen Juden, derer die Weltgemeinschaft am Holocaust-Tag an diesem Samstag (27. Januar) gedenkt.

Für 12 bis 14 Millionen Deutsche bedeutete der Sieg über Hitler aber auch den Verlust ihrer Heimat. Sie flohen aus Schlesien, aus dem Sudetenland, aus Ostpreußen oder wurden aus anderen Gebieten Ost- und Südosteuropas vertrieben. Zehntausende von ihnen ließen sich in Leipzig nieder.

Aussiedlerverband will Gedenkstein in Leipzig aufstellen

An ihr Schicksal wollen der sächsische Aussiedlerverband und der Regionalverband der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler Leipzig/Nordsachsen mit einem Gedenkstein in Leipzig erinnern. Die CDU-Stadtratsfraktion wirbt dafür, dass die Kommune „eine geeignete, von der Öffentlichkeit wahrnehmbare Fläche“ zur Verfügung stellt – möglichst noch bis 2025. Doch warum sich Leipzig schwertut, auf diese Weise an die „Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“ zu erinnern, zeigte jetzt eine in Teilen sehr persönliche Debatte im Stadtrat.

„Flucht und Vertreibung hätte es nicht gegeben, hätte Nazi-Deutschland nicht den Krieg angezettelt“, räumte CDU-Fraktionschef Michael Weickert ein und mahnte gleichwohl: „Wir dürfen diese Ereignisse nicht vergessen.“ Er gehöre zu einer Generation, die noch das große Glück habe, mit Zeitzeugen aus dieser Zeit sprechen zu können. Doch dieser Personenkreis wird immer kleiner. Das mache die Auseinandersetzung mit dem Thema umso wichtiger, auch weil sie letztlich Versöhnung ermögliche.

Flucht und Vertreibung 1944/45 nicht ausreichend aufgearbeitet

„In unserer Geschichte gibt es einige neuralgische Punkte, die noch nicht ausreichend aufgearbeitet sind“, pflichtete ihm Grünen-Stadträtin Anna Kaleri bei. Dazu zählt sie auch dieses Kapitel von Flucht und Vertreibung, das „unsägliches Leid“ über Millionen von Menschen brachte. Kaleri hatte vor zehn Jahren mit ihrem Roman „Der Himmel ist ein Fluss“ ihrer masurischen Großmutter ein literarisches Denkmal gesetzt, einer Frau, die sie selbst nie kennenlernen konnte, weil sie 1945 erschossen wurde.

Viele Menschen, so Kaleri, hätten Angehörige, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden. „In manchen Familien sind die Erzählungen darüber präsent, im kollektiven Gedächtnis aber noch zu wenig.“ Es brauche allerdings einen „differenzierten Blick, auch was Opferschaft und Täterschaft betrifft“. Und das macht das Ganze wohl so schwierig. „Unter den Vertriebenen und Geflüchteten“, so die Schriftstellerin, „waren auch Menschen, die die Nazi-Ideologie mitgetragen haben, die in diesen Krieg führte.“

Wer also war Opfer, wer Täter, wer beides? Wie kann das ein Denkmal auseinanderhalten? Wie lassen sich die Erinnerungen dieser Menschen trotzdem angemessen bewahren? Vielleicht liegt ein Schlüssel darin, zeitliche und räumliche Verengungen aufzulösen. Denn, so Kaleri: „Fluchtgeschichten von heute ähneln erschreckend denen von damals.“

Kindheit durch die Fluchterfahrung der Großmutter geprägt

Das sieht auch Marco Götze von der Linksfraktion so. „Wir müssen heute einen moderneren Blick auf die Sache haben, und vor allem müssen wir das Thema generell fassen“, regte Götze an, dessen Kindheit durch die Erzählungen über die Flucht der Großmutter und Mutter aus Schlesien geprägt war.

Am Ende waren sich Linke, Grüne, CDU, SPD und Freibeuter einig: Vor einer Entscheidung über einen Gedenkstein soll zunächst ein Gutachten das Thema wissenschaftlich aufarbeiten. Völlig unnötig, befand Jörg Kühne von der AfD. „Diejenigen, welche Flucht und Vertreibung noch erlebt haben, werden immer weniger. Ihnen sollten wir eine klare Botschaft vermitteln: Euer Leid soll und wird nicht in Vergessenheit geraten.“

Linken-Politiker Götze plädierte dennoch dafür, nichts zu überstürzen: „Das Beste, was wir machen können, ist, nicht nur einen Stein zu setzen, sondern unser Herz denen zu öffen, die Flucht und Vertreibung heute ausgesetzt sind.“